Also, diese Sichtweise,
Bluntman hat geschrieben: ↑10.06.2020 14:47
dass
"wir" das gut und richtig gemacht haben. Ja, wirklich, mit allen Konsequenzen.
teile ich nun überhaupt nicht. Das ist eine Sichtweise, die ich schon in "normal-verrückten" Zeiten nicht einnehmen kann. Aber das dürfte ja deutlich geworden sein. Und wenn es das Ziel sein sollte, die verschiedenen Sichtweisen sinnvoll übereinander zu bringen, wirds wohl eher schwierig.
Jedoch kann man ja weiterhin drüber sprechen.
Aus meiner durchaus nicht sehr wohlwollenden Sichtweise ein
Bluntman hat geschrieben: ↑15.06.2020 11:22
quasi der Sturz der aktuellen Regierung?
herauszulesen, ist dann doch überzogen. Das hat jetzt wer nochmal gesagt? Ich sicher nicht.
Bluntman hat geschrieben: ↑15.06.2020 11:22
Halte ich für diskussionswürdig.
Ganz grundsätzlich halte ich alles für diskussionswürdig. Weil grundsätzlich alles eine Diskussion darüber wert ist.
Die beiden großen Zauberworte heißen
Notwendigkeit und
Verhältnismäßigkeit.
Nun, mal unter uns:
Wenn man davon ausgeht, dass
a) der Pandemie-Notfallplan in vollem Umfang so ausgepackt werden musste,
b) die Entscheidungsträger daher sehr, sehr gut gehandelt haben,
c) indem alles dem Einen Ziel der Erhaltung der Gesundheit untergeordnet wurde
d) und das auch ausschließlich genau so gemacht werden musste und gar nicht anders ging,
dann hab ich natürlich in meinem Beitrag vom 11.Juni viel Blödsinn erzählt.
Das a) bis d) allerdings so stimmen und genauso richtig waren, daran hab jedoch erhebliche Zweifel.
Ich fang also noch mal an:
1. Dass die anderen Länder keine Rolle spielen, ist keine Erfindung von mir, sondern ist genau so in der Krise gemacht worden. Wir machen erstmal die Grenzen zu. Wir wussten zwar noch nicht, was genau los ist und wie sich hier irgendwas entwickelt, aber Grenzen zu und nur auf sich selber schauen war erstmal eine der ersten Maßnahmen. Andere Länder dienten doch nur noch als Vergleich, wie gut wir doch mit der Krise umgehen. Andere Länder waren "der Feind" als es um die Beschaffung von medizinisch wertvollem Material ging. Und fasziniert starrten alle auf sich täglich entwickelnde Fallzahlen und fast war die Häme zu spüren, dass das Geschehen bei uns besser verlief als z.B. in Großbritannien. Und fast gab es noch mehr Häme, als Schweden auch nicht mehr uneingeschränkt als Paradebeispiel für alternative Wege gelten konnte.
Gurney Halleck hat geschrieben: ↑11.06.2020 08:10
Schweden ist mir egal. Italien und Spanien auch. Auch Amerika. Mir ist sogar wurscht, was Bayern oder Nordrhein-Westfalen macht,
Weil es nicht der Maßstab sein kann. Es kann doch nicht darum gehen, irgendwie besser zu sein als andere. Es ist erfreulich, dass wir a) ein Gesundheitssystem haben und b) dieses scheinbar besser funktioniert als das der anderen. Und es ist mindestens bedauerlich, was "woanders" passiert. Über das Spektrum der restriktiven chinesischen Methode bis hin zur fahrlässigen, ja fast vorsätzlichen brasilianischen Verleugnung und ihren jeweiligen Ergebnissen kann man sich nur gruseln.
Nicht die anderen Länder sind das Vergleichsmoment und der Fixstern am Horizont, sondern der "bestmöglichste Weg", um da gemeinsam durch zu kommen. Und meinetwegen kann man das als "Jammern auf hohem Niveau" betrachten, aber
gut und
richtig geht dann doch noch mal ein bissl anders.
2. Wenn wir ein gemeinsames Europa sind, und wir hier einen weltweiten Virus, eine Pandemie haben, dann wäre es vielleicht auch sinnvoll diesen weltweit zu bekämpfen. Oder zumindest kontinentweit. Wenn Belgien große Fallzahlen hat und Nordrhein-Westfalen auch, dann wäre es wahrscheinlich sinnvoll gewesen, diese gesamte Region als ein Gebiet zu betrachten, welches besonderer Aufmerksamkeit und besonderer Maßnahmen bedarf.
Ebenso die Region Ostfrankreich/ Baden Württemberg. Oder der Alpenraum mit Norditalien, Österreich und Bayern. Das wurde aber so nicht gemacht oder betrachtet, sondern die weltweite Pandemie sollte nationalstaatlich bekämpft werden. Also, ich finde da kann man schon mal drüber nachdenken, ob das so richtig war. Und das ist kein Hinterher-ist-man-immer-schlauer-Rumgequake, sondern das sind Gedanken aus der ersten Lockdown-Woche.
3. Stattdessen wurde auf nationaler Ebene allen Regionen eine Glocke mit Maßnahmen übergestülpt. Bayern (Fälle Stand heute: 47.490) genauso wie Mecklenburg-Vorpommern (Fälle Stand heute: 784). Was in Bayern am ehesten notwendig war, war in MV sicher am wenigstens verhältnismäßig. Ich räume gern ein, dass man das am Anfang nicht so recht einschätzen konnte, aber deswegen war noch lange nicht alles gut und richtig.
Für die Härte der Maßnahmen bestand in Landkreis Meißen zu keiner Zeit Notwendigkeit. Ich kann auch nicht erkennen, dass die Maßnahmen im gesamten Osten der Republik (Berlin ausgenommen) notwendig waren.
4. Man ist nach ca. 7 Wochen darauf gekommen, dass man den Regionen und den Gesundheitsämtern vor Ort die Entscheidungsgewalt über zu verhängende Maßnahmen gibt. Je nach Notwendigkeit vor Ort. Ich erinnere mich noch, da das nach Wochen die erste Meldung in den täglichen Nachrichten war, der ich uneingeschränkt zustimmen konnte. Ich erinner mich noch gut, dass daraufhin in der Presse von einem undurchsichtlichen Flickenteppich gesprochen wurde. Aber das war richtig. Das hätte ich mir von Anfang an gewünscht.
5. Stattdessen haben Herr Söder und Herr Laschet die angehende Krise als Spieleplattform für zukünftige Vorsitzenden- und Kanzlerkandidatenbewerbungen missbraucht. Profilierung auf dem Rücken der Menschen. Und haben durchgesetzt, dass überall das gleiche gemacht wird. Und noch jeden "blöde gemacht" der das als Ministerpräsident vielleicht anders sah.
6. Es gibt Maßnahmen, die stelle ich nicht in Frage. Z.B. das Reiseverbot. Das ist schlecht für die Fluggesellschaften und auch für die Reisebüros. Aber im großen Stil umherzufliegen, wäre wahrscheinlich gar keine so gute Idee gewesen. Das soll heißen: Nicht alle verhängten Maßnahmen waren sinnlos oder überflüssig.
7. Und da komm ich zum wichtigsten Punkt. Die Bevölkerung und der Umgang mit ihr. Dieses vorsätzliche Angstgeschüre, als Maßnahme zur Pandemieeindämmung. Das geht so nicht.
Die Bürger haben sich offensichtlich ganz ordentlich verhalten in der Zeit. Maßnahmen galten und wurden befolgt.
Aber hätte man das nicht auch damit erreicht, dass man das individuelle Verantwortungsgefühl eines jeden Bürgers in die Pflicht nimmt? Muss man das über Angst machen? War das notwendig? War das verhältnismäßig? Und zeigt das nicht eine Sichtweise auf die Bevölkerung als eine Masse von verantwortungslosen Objekten mit denen man das so machen muss, statt eine Gemeinschaft von verantwortungsvollen Subjekten zu sehen?
Bei Kindern und Jugendlichen und den Umgang mit Ihnen hab ich scheinbar eine fundamental unterschiedliche Sichtweise. (Obwohl ich mir das persönlich gar nicht vorstellen kann.) Kinder- und Jugendlichen einfach mit einem Quasi-Federstrich als ein
Bluntman hat geschrieben: ↑15.06.2020 11:22
Ja. Wie soll ein Pandemie-Notfallplan auch anders funktionieren?
-Kollateralschaden abzutun, ist nicht. Und ja, es kann sein, ich vertrete hier durch meine berufliche Perspektive eine radikale Maximalposition. Und ja, Gefangene oder Kompromisse werden hier nicht gemacht. Keine Krise dieser Welt und keine "höhere Macht" rechtfertigt diesen Umgang mit Kindern und Jugendlichen. Dieser Umgang ist verantwortungslos. Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen dürfen nicht als letztes Thema hintenan stehen. Die Reduzierung von jungen Menschen auf "Virenschleudern", "Corona-Party-Besucher", "Verordnungsregelbrecher" oder einfach "Schüler" ist grundsätzlich falsch.
Und ich wiederhole es: Es geht nicht um den Sturz der Regierung, sondern um persönliche Verantwortung im Umgang mit der Bevölkerung. Von Entscheidungsträgern und Publizisten. Und da müsste eigentlich von selbst aus soviel Verantwortungsgefühl da sein, dass Konsequenzen oder wenigstens rückblickend öffentliche Zweifel angebracht wären, um persönlich sich im Spiegel noch anschauen zu können nicht vor Scham im Boden versinken zu müssen.
Stattdessen kommt das Mantra der Alternativlosigkeit und ein "Wir haben alles richtig gemacht." Das glaube ich nicht und glaube auch nicht, dass das die Zeiten überdauert.
8. Jetzt kommt die große Überraschung: Herr Ministerpräsident Kretzschmer. Ihm habe ich nichts vorzuhalten. Nachdem er die Informationen und Perspektiven des RKI in dieser Kanzlerin/ Ministerpräsidentenrunde präsentiert bekommen hat, konnte er wahrscheinlich gar nicht anders, als so auch für Sachsen mitzuentscheiden. Das hat er auch genauso gesagt: "Ich wollte diese Verantwortung nicht haben." (wenn er anders entschieden hätte und es wäre schief gegangen) Ich hätte wahrscheinlich an seiner Stelle genau das Gleiche gemacht und genau so entschieden.
Das heißt aber nicht, dass alles genau so richtig war. Und das muss von unabhängigen Instanzen überprüft werden.
Fazit: Was musste sein? Was war übertrieben? Wo hat Vater Staat überzogen? Und auch: Wo hat er nachlässig gehandelt?
Eine Überprüfung der Entscheidungen der Entscheidungsträger halte ich daher für nicht so abwegig. Auf welchem Weg auch immer. Und ich habe bewusst geschrieben "Mit offenem Ausgang." Vielleicht ist das überlesen worden. Wenn das auf anderen Ebenen gemacht wird, müssen es nicht die Gerichte sein. Die seh ich jedoch bemüht, bei z.B. der Verantwortlichkeit von Firmenmanagern gegenüber ihren Aufsichtsräten oder Aktionären (oder gern auch ne Nummer kleiner) bei der Frage ob es denn notwendig war, dass das Unternehmen so abstürzt und wer eigentlich dafür Verantwortung trägt? Klingt vielleicht abwegig, aber ich kann mir da zukünftige Schadensersatzforderungen von Unternehmen gegenüber dem Bund durchaus vorstellen. Wäre nicht überrascht, wenn das so käme.
Insgesamt MUSS sich das alles genauer angeschaut werden. Nicht zuletzt wissenschaftlich. Das schließt
objektiv mit ein. Immer mit den Fragen der
Notwendigkeit und
Verhältnismäßigkeit. Denn noch einmal solch einen Umgang mit der Bevölkerung, das Schema-F-passt-für-alle-Denken oder noch einmal eine solche wirtschaftliche Zwangspause mit allen Konsequenzen können wir uns gesellschaftlich, als Verunsicherung und Spaltung, und finanziell, wer soll das alles bezahlen?, einfach nicht leisten.
Was richtig gemacht wurde, kann auch bei einer nächsten Krise angewendeten werden. Und dann wird es eine Reihe von Maßnahmen und Entscheidungen geben, von denen man feststellen wird, das man das beim nächsten so nicht mehr macht.
Man könnte nun sagen: Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Man könnte aber auch sagen: Das wäre notwendig und verhältnismäßig.